Steinschnitte

Anna Maria Eder


Nachdem Egon Straszer sämtliche Möglichkeiten in der Formgestaltung des Steins durchgespielt hat die Höhlung des Steines das Durchbrechen, Perforieren der Steinwand, die Freilegung, die Herausformung des Kernes die Umwandlung in biomorphe Formen - aus der Hand in den Stein, setzt er mit einer Folge von Steinschnittskulpturen ganz neu an. Egon Straszer setzt einen Schnitt.
Der Stein wird so angesägt, dass im Kern ein Mittelteil bestehen bleibt, der eine Form bildet. Kühl kalkulierend, rational-technisch setzt dieser Ansatz die Dynamik der persönlichen Handarbeit von Hammer und Meißel, das Be-Zeichnen des Steines des Höhlens und Wölbens außer Kraft.  Die Oberfläche ist glatt poliert, spiegelt. Durch die engen Abstände der Zwischenräume wirken die Gestaltgesetze der Wahrnehmung. Wie ein Vorhang schließt sich die Steinoberfläche zusammen und stellt ihre Steinmaserung zur Schau.  Doch das Konzept kippt in eine mystische Seite, die sich erst in der Betrachtung manifestiert. Das Prinzip der aktiven Wahrnehmung spielt auch hier eine große Rolle. Skulptur braucht Zuwendung.
Es ergibt sich ein Stundenplan der idealen Betrachtung, ein „Horarium der Steinschnitte“. Der Zeitpunkt muss passen und verwirklicht sich im Schnittpunkt des eintreffenden Sonnenstrahls mit dem rechten Blickwinkel. Sein Venusstück nennt er lächelnd Gymnastikvenus… vor der göttlichen Frau in die Knie gehen….  Die Skulpturen definieren sich in der Außenansicht, im Durchblick, im Wahrnehmen des Kernstücks, in den Lichtreflexionen auf Ober- und Unterfläche der Platten und der geheimnisvollen Lichtdurchlässigkeit. Wo ist der optimale Winkel, um die Silhouette der Figur zu erhaschen? Die Jalousie geht auf, die Jalousie geht zu. Das Auge kann nicht alles klar erfassen, ein mystischer Nebel um die im Kern stehen gelassene Form entsteht zuweilen. Der Umriss definiert die mystische Mitte im Kelchstück, Fruchtstück, Zapfenstück, Venusstück.