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Nora Leitgeb


Egon Straszer absolviert in den 80er Jahren eine Ausbildung zum Bildhauer und Kunstschmied. Er arbeitet zunächst mit Holz, Bronze, Stahl, Gips und Polyester, bevor er sich nach einem Schlüsselerlebnis im Steinbruch Adnet bei Salzburg Anfang der 90er Jahre ausschließlich dem Stein zuwendet. Freunde fordern ihn dort zum Arbeiten mit einem herumliegenden Stein auf, es wird ihm schlagartig bewusst, dass der harte Stein genau das richtige Material für ihn sei. "Es bremst ihn, bindet ihn und entschleunigt ihn. Steine passen zu ihm, zu seinem Charakter einfach am besten" (E. Straszer, Juli 2011). Seitdem bearbeitet er in erster Linie Marmor, Serpentin, Granit und zwischendurch Findlinge. Er beginnt sich mit den physikalischen Eigenschaften von Gestein auseinander zusetzten, vertieft sich in das Behauen von Stein und erprobt handwerkliche und technische Möglichkeiten, das harte Material zu bearbeiten. Er sucht sich die Steine für seine Skulpturen selbst aus, findet sie in speziellen Steinbrüchen, wie dem Steinbruch im Virgental nahe dem Großglockner auf 1800 m Seehöhe, aus dem er den blau/grünlichen Serpentin holt.

Für seine Skulpturen fertigt er detaillierte, maßstabsgetreue Entwürfe an und lässt die Formen mittels computergesteuerter Diamantschneider Schicht für Schicht  aus dem Stein schneiden. Eine Schicht wird aus dem Stein geschnitten, eine bleibt stehen und so wechseln sich die Schichten gleichmäßig ab. Die Schnittverhältnisse der Platten zu den Öffnungen richten sich nach der Größe der Steinskulpturen, die von lebens- und überlebensgroßen Skulpturen für den Außenraum bis zu den handlicheren, kleineren für den Innenraum reichen. Die Regelmäßigkeit des Plattenaufbaus, mit den gleichförmigen Verhältnis der Plattendicke zur Öffnung, wird bei vielen seiner Skulpturen durch den oft geometrisch gehaltenen Steinblock verstärkt. Egon Straszer reizt die technischen Möglichkeiten, Stein zu bearbeiten, bis zum Äußersten aus. Immer wieder gehen Arbeiten zu Bruch, denn die unterschiedlichen Steinmateralien reagieren immer anders auf die Einschnitte. Vor allem anfangs war es oft schwierig, das richtige Öffnungsverhältnis zu finden, da keine erprobten Werte vorhanden waren und jede Arbeit  gleichzeitig Experiment war. Der Künstler delegiert den Produktionsprozess an Fachleute mit den geeigneten Maschinen, ist aber selbst bei der Produktion immer dabei. Stets lotet er aus, was mit den modernen technischen Mitteln heutzutage überhaupt möglich ist. Obwohl die Maschinen schlussendlich für einen bestimmten Entwurf eingestellt sind, und der Künstler mehrere gleiche Skulpturen auf einmal produzieren könnte, lehnt er das kategorisch ab. Alle Skulpturen sind Einzelstücke.

 

Die Oberfläche der Skulpturen ist mit Wasser und Feuer bearbeitet - nicht lackiert - und bekommt dadurch einen besonderen Glanz. Je nach Tageszeit und Blickwinkel verändert sich die Erscheinung der Skulpturen aus dem roten bis rotbraunen Granit, dem blauen bis grünlichen Serpentin, dem schwarzen, afrikanischen und dem fleischfarbenen, norwegischen Granit. So spiegelt sich manchmal die Umwelt in den Skulpturen wider, dann wiederum wirkt die durchbrochene Gesamtfläche durchscheinend und man erkennt deutlich die innen liegende Form, die häufig als menschliche Figur zu erkennen ist. Wechselt man den Standpunkt dominiert wiederum die Plattenstruktur und die streng geometrische Quaderform. Je nach Lichtverhältnis ist der Granit bräunlich, dann wieder rötlich, der Serpentin wirkt zuweilen fast schwarz, dann wieder blau oder grün. Fällt das Licht durch den geöffneten Steinkubus, entstehen Lichtmäntel, die die reale Skulptur um eine transluzide erweitern und die geometrische Grundform in den Hintergrund treten lassen. Ähnlich verhält es sich bei den in den Stein geschnittenen menschlichen Körpern. Manchmal sind sie auf den ersten Blick nicht zu erkennen, macht man aber einen Schritt zur Seite, kommen die Figuren deutlich hervor.

 

Das Material Stein gewinnt für Egon Straszer im Hinblick auf die nur ca. 3 km dicke Erdkruste eine zusätzliche, metaphysische Bedeutung. Das als leblos erachtete Material nimmt der Künstler als sehr lebendig war, wo doch die Erdrinde das Leben auf der Erde erst ermöglicht. Darüber hinaus beschäftig ihn die ideologische Aneignung von Stein quer durch die Geschichte. Große, schwere, teure Skulpturen können sich wirtschaftlich gut situierte Unternehmen leisten oder politische Systeme, die sich ihre eigenen Denkmäler setzten. Steinskulpturen haben eine lange Lebensdauer, sie können nicht verrotten. Und dieser Vereinnahmung von Stein setzt er seine Steinskulpturen entgegen, die Leben aus dem anorganischen Material in Form von menschlichen Figuren bilden.